Hochgenuss, wenn man die Schritte spürt, die den eigenen Körper mit Leichtigkeit und Kraft tragen; jede Faser fühlt, wie sie zart in die nächste fließt, und in jedem Moment den Genuss des eigenen weichen, und doch sehnigen Körpers neu gebiert. Wenn sich die Stille unhörbar zirpend wie ein lauwarmer Wind um mich legt, die kühle Januar-Luft mit sachten Fäden von Frühlingsahnung durch die Fenster in Nüstern schwebt, die mit zeitlosem Verlangen die kristalline Schwerelosigkeit endlosen Lebens in eine Brust saugen, die frei atmen kann; wenn die Wärme der Sonnenstrahlen die Haut umschmeichelt und das Lächeln in die Augen tragen, meine rauen Fußsohlen den Übergang von kalten Fließen auf warmen Holzboden erkunden und jeder Muskel sich im Anspannen räkelt, die pure Existenz in Körper, Luft und Sonne sich zu Lust entfaltet, dann spüre ich, dass ich jung bin, und am Leben.
Wenn ich alte Texte durchgehe, um nach einem Namen für meinen neuen Blog zu suchen, spüre ich den schlafenden Drachen auf meiner Haut atmen. So viel ist in den letzten Jahren passiert, das mich verändert hat. Vielleicht für immer, vielleicht tiefgehend. Vielleicht habe ich mich nur konkretisiert. Wie eine sich häutende Schlange – oder Drache – trete ich aus dem alten Jahr in ein Neues, spielerisch tippen meine Füße den Boden an, um sich abzustoßen, um zu fliegen… oder doch lieber in halber Höhe sich in einen Sonnenstrahl zu kuscheln und zu lesen. Die Zukunft kann warten. Ohne mich kann meine Zukunft eh nicht viel machen, denn was habe ich letztens im Drehbuchseminar gelernt? Jeder ist der Held in seiner eigenen Geschichte. Genau. Und die Heldin meiner Geschichte geht jetzt lesen. Das ist einfach zu viel, was getan werden muss. Hausarbeiten, Referate, Praktika, nö. Sie geht jetzt lesen.
Okay, sie war lesen. Mhm. Buch aus. Nachschub kommt morgen. ERST morgen. Also schreiben. Oder dösen vor dem Bildschirm. Dösen vor dem Bildschirm ist auch eine Option. Eine Option mit sehr viel mehr Yo-Yos als die meisten anderen Dinge auf der mentalen Liste. Seit Wochen kuschele ich mich in den Sonnenstrahl und lese. Was getan werden musste, wurde getan, aber nicht mehr als nötig und das nicht mehr als nötig hat ziemlich viel in ziemlich wenig Zeit vor mir aufgehäuft und man sollte es zwar meinen, aber das ist nicht unbedingt motivierend. Mein Sofa hingegen ist unglaublich motivierend. Sämtliche Leute, die meinen, Forderungen an mich stellen zu müssen, sollten sich ein Beispiel an meinem Sofa nehmen. Da ich den dunklen Verdacht habe, dass dieses Arschloch, das immer Aktion von mir verlangt, sehr viel mit der Stimme in meinem Kopf zu tun hat, die mentale Listen und Termine runterrattert, SOLLTE DIE SICH BITTE ERNSTHAFT EINMAL NÄHER MIT MEINEM SOFA BEFASSEN. Mein Sofa ist bequem, schlicht, und einladend. Alles wirklich angenehme Eigenschaften. Man kann auf meinem Sofa nicht nur lesen, man kann auf meinem Sofa auch Filme angucken. Meine Heldin geht jetzt Film gucken. Der Drache schläft tief und geräuschlos.
Spätherbsttage, an denen fahle Wintersonnenstrahlen durch letzte einzelne Blätter fallen und verwaschen gezeichnete Skelette gegen einen dunstblauen Himmel werfen, rufen ein so sonderbares Gefühl hervor, ein mächtiges leises Drängen und Loslassen, wie ein Blüte, die in Zeitraffer sich entfaltet und wieder zerfällt. Tage, an denen man Murakami lesen muss, weil seine Sätze sachte rufend fahles Gelb und Rosa in schneidende Windstöße zeichnen. Dürrenmatt und García Márquez schweigen auf dem Schaffell, während die Tage ineinanderlaufen und stumpfes Weiß den Himmel verhüllt.